Krankheitstage reduzieren – reaktiv oder präventiv handeln?

Husten, Schnupfen, Kopfschmerzen – im regelmäßigen Abstand rollt die Erkältungswelle über Deutschland, flankiert von der Sommergrippe oder dem typischen „Magen-Darm geht wieder rum.“ Für viele Mitarbeitende ist eine Erkältung aber noch kein Grund, zu Hause zu bleiben und sich auszukurieren.

Mehr als ein Viertel der Beschäftigten geht laut einer Studie der Techniker Krankenkasse nach eigenen Angaben häufig oder sehr häufig krank zur Arbeit. Lediglich 17 Prozent geben an, immer zu Hause zu bleiben, wenn sie krank sind. Oft wird sogar zu Medikamenten gegriffen, um arbeiten zu können. Die Arbeit im Homeoffice verstärkt das Problem noch: 46 Prozent geben an, dass es im Homeoffice häufiger vorkommt, dass sie arbeiten, obwohl sie sich krank fühlen. 

Die Gründe, trotz Krankheit zur Arbeit zu kommen, sind vielfältig, zum Beispiel: fehlende Vertretung, die Krankheit sei nicht ansteckend, man wolle den Kolleginnen und Kollegen nicht zur Last fallen oder dringende Termine verschieben, auch hätte sich die Arbeit aufgehäuft oder man habe das Gefühl, dass vom Unternehmen erwartet wird, trotz Krankheit zu arbeiten.

 

Krank oder nicht krank – das ist hier die Frage

Demgegenüber steht eine aktuelle Studie der Pronova BKK, die aufzeigt, dass sich 59 Prozent der Beschäftigten in Deutschland zugunsten einer Krankmeldung entscheiden, obwohl sie arbeitsfähig wären. Zehn Prozent tun dies häufig, 23 Prozent manchmal und 26 Prozent selten. 36 Prozent sagen von sich, gesund immer dem Job nachzugehen.

Ob nun tatsächlich oder doch nicht so ganz – Fakt ist, dass die hohe Zahl an Krankmeldungen teuer für die Wirtschaft ist. Wer nicht arbeitet, schafft schließlich keinen Wert und so gehen Unternehmen, Umsätze und Gewinne verloren.

 

Arbeiten trotz Krankheit?

Krankheitsausfälle gehören in vielen Unternehmen zu den Top-Themen, so auch in einem Coaching, das ich vor kurzem mit einer Teamleiterin hatte. Sie wurde, wie alle anderen Führungskräfte auch, vom Vorstand angehalten, die hohe Krankheitsquote zu senken. Dafür sollte sie mit den Mitarbeitenden ins Gespräch gehen und herausfinden, ob diese bereit wären, bei leichten Erkrankungen, wie einem Schnupfen, weiterhin zu arbeiten, wenngleich vielleicht nicht in vollem Umfang. Dieses Vorgehen allerdings löste bei ihr Unbehagen und ein schlechtes Bauchgefühl aus.

 

Zurück zum Ursprung

Bevor wir uns allerdings damit beschäftigten, wie sich jetzt der Krankenstand senken ließe, sind wir zurück zum Ursprung und der wichtigsten Frage: Wie kommt es überhaupt zu Krankheitsfällen bei Mitarbeitenden? Abgesehen von chronischen Erkrankungen liegt das häufig an einer stetig steigenden Belastung über einen langen Zeitraum, die das Immunsystem schwächt und somit Tür und Tor für Erkältungen und Co. öffnet. Auch führt eine dauerhaft hohe Belastung dazu, dass die Aufmerksamkeit sinkt, man unachtsamer wird und mehr Unfälle passieren. Die Erkenntnisse aus unseren Überlegungen führten uns zu dem Punkt, dass es sinnvoller wäre, präventiv vorzugehen, damit Krankheit und Unfälle erst gar nicht entstehen.

 

Prävention statt Reaktion

Anstatt daraufzusetzen, dass Mitarbeitende trotz leichter Erkrankungen arbeiten sollen, haben wir beschlossen, die Krankheitsquote zu senken, indem wir Krankheiten erst gar nicht aufkommen lassen. Dieser Vorschlag sollte als Konzept im Team präsentiert werden, um klarzustellen, dass es nicht darum geht, dass niemand mehr krank sein darf oder es erwartet werde, krank zur Arbeit zu kommen. Vielmehr soll versucht werden, Krankheitsfälle so gut wie möglich zu vermeiden. Dazu haben wir Folgendes erarbeitet.

 

Das Auftaktmeeting: Belastung thematisieren

Die Teamleiterin sollte ein Treffen mit dem Team vereinbaren und dort das Thema Belastung ansprechen. Konkret bedeutet das:

  • Erklärung der Entstehung von Krankheit: Zunächst sollte erläutert werden, wie Krankheit entsteht, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass steigende Belastung zu einem geschwächten Immunsystem und somit zu Erkrankungen führt.
  • Gegenseitige Unterstützung: Mit diesem Wissen ist es wichtig zu betonen, dass es darum geht, sich gegenseitig so zu unterstützen, dass die Belastung gleichmäßig verteilt ist.

Weitere Punkte, die im Auftaktmeeting geklärt werden sollten, sind:

  • Aktuellen Belastungsgrad erfragen: Auf einer Skala von 0 bis 10 wird der individuelle Belastungsgrad erfragt. Jeder entscheidet hier für sich selbst, wo er sich aktuell befindet. Dazu können verschiedene Indikatoren verwendet werden, zum Beispiel Überstunden, angehäufte Mails oder überproportional viele Aufgaben.
  • Grenze festlegen: Es wird eine Grenze bestimmt, beispielsweise bei sieben – ist diese Grenze erreicht, gilt es im Team Maßnahmen zur Entlastung zu ergreifen.
  • Aktivitäten zur Entlastung: Was passiert konkret, wenn jemand die festgelegte Grenze erreicht? Welche Regeln und Aktivitäten führt das Team oder jeder Einzelne durch?
  • Unterstützung durch die Führungsperson: Wie kann die Führungsperson unterstützen?
  • Einführen regelmäßige Treffen: Zwei- bis dreimal pro Woche trifft sich das Team kurz, um den Stand auf der Belastungsskala abzugleichen und um ggf. Maßnahmen einzuleiten. Dies schließt nicht nur die Prävention ein, sondern das Team lernt ebenfalls, sich gegenseitig zu unterstützen.

Ein unkonventioneller Gedanke

Die Teamleiterin fand diesen Ansatz zunächst ungewöhnlich und abweichend von der Norm ihrer Unternehmenskultur. Doch ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass dieser Weg besser sei als den Mitarbeitenden Krankheit zu unterstellen oder sie trotz Krankheit arbeiten zu lassen.

 

Vom Symptom zur Ursache

Dieser unkonventionelle Ansatz zeigt, dass es nicht darum geht, Symptome (wie Krankmeldungen) zu bekämpfen oder zusätzliche leichte Aufgaben für kranke Mitarbeitende zu finden. Stattdessen liegt der Fokus darauf, präventiv gegen die Ursachen (hohe Belastung) vorzugehen und so Krankheiten erst gar nicht entstehen zu lassen.

Ohne ein Führungskräftesparring wäre die Teamleiterin wahrscheinlich nicht auf den Gedanken und den neuen Ansatz gekommen, der jetzt dafür sorgt, dass zukünftig hohe Belastungsphasen erkannt und reduziert werden und sich dadurch die Krankmeldungen im Team voraussichtlich verringern. Wenn auch Du im Sparring neue Möglichkeiten für Dich und Dein Team entdecken willst, dann freue ich mich auf Deine Nachricht.