Dienen oder führen – was ist für Organisationen zukunftsweisender?

In einer immer komplexer werdenden Welt ist es schwieriger denn je, Menschen in Schubladen zu stecken. Dies gilt auch für Führungsstile. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Versuche, einen einheitlichen Führungsstil zu schaffen, zahlreich scheitern. In diesem Beitrag möchte ich Sie ermutigen, einen neuen Blickwinkel einzunehmen – weg von einengenden Führungsstilen hin zu Führung mit intrinsischen Motiven. Sie werden überrascht sein, wie positiv sich das auf Ihre Führung und Ihre Mitarbeitenden auswirkt.

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Die Führung im 21. Jahrhundert ist eine große Herausforderung. Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt und die Ansprüche an die Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben sich ebenfalls geändert. In diesem Wandel der Zeiten ist es wichtig, dass die Führungskräfte ihre Haltung überdenken und neu definieren. Meist wird Führung in Schubladen gedacht, wie zum Beispiel „klassisch“ oder „Servant Leader“. Diese sind jedoch wie ein Korsett, das weniger den Menschen und seine Individualität in den Vordergrund stellt, sondern ein Konstrukt, welches es umzusetzen gilt. Für unsere neue und moderne Arbeitswelt ist das nicht mehr zukunftsweisend.

Servant Leadership – passiv oder dienend?

Seit einigen Jahren fällt im Kontext der Führung immer wieder der Begriff „Servant Leader“. Die Begeisterung dafür ist kaum zu bremsen und dieser Führungsstil gilt bei vielen als ein Führungsmodell der Zukunft. Hier werden die Hierarchie-Ebenen von Teams oder sogar gesamten Organisationen auf den Kopf gestellt. So geben nicht länger die Führungskräfte den Ton an, sondern die Menschen, die für Dienstleistungen und Produkte zuständig sind, sprich die Mitarbeitenden. Die Führkräfte lassen sich auf ein ganz neues Rollenbild ein. Als „Servant Leader“ bzw. dienende Führungskraft braucht es Fähigkeiten wie Einfühlungsvermögen, aktives Zuhören und empathisches Verständnis. Auch wenn es in der Umsetzung manchmal schwer sein kann, so ist es doch eine Ermutigung für alle Führungskräfte, die daran interessiert sind, ihr Team besser kennenzulernen und zu unterstützen. Eine dienende Führungskraft priorisiert den Dienst am Nächsten, denkt in der Wir-Sprache, arbeitet auf Augenhöhe mit den Teammitgliedern und erkennt deren Expertise an. Sie haben das Ziel, ein gesundes Arbeitsumfeld zu schaffen, in welchem sich das Team entfalten kann und die besten Bedingungen vorfindet, um die Arbeit zu erledigen. Dieser Stil wird oft als passiv bezeichnet, dabei handelt es sich vielmehr um eine positive Herangehensweise an die Arbeit mit anderen Menschen. „Servant Leader“ sind offener für Kritik und Ideen von außen und geben sich selbst nicht so leicht mit dem Status quo zufrieden. Sie erkennen an, dass Wachstum nur möglich ist, wenn alle Mitarbeitenden in ihrem Verantwortungsbereich eigene Entscheidungen treffen, immer mit dem Blick auf das Gesamtsystem.

Klassischer Führungsstil – veraltet oder berechtigt?

In der klassischen Führung treffen wir auf ein Ich-Konstrukt. Die Rollen sind klar verteilt und so ist es nur logisch, dass die Führungskraft Entscheidungen trifft und dafür auch die Verantwortung übernimmt. In der Regel hat die Führungsperson einen guten Gesamtüberblick und delegiert die Aufgaben an die jeweiligen Mitarbeitenden. So ist nach wie vor der gängige Führungsstil in vielen Unternehmen. Dieser kann auch von Vorteil sein – insbesondere in Konzernen, in denen das Thema „Macht und Einfluss“ zu einem wichtigen Teil der Kultur gehört. Die klassischen Führungskräfte erkennt man oft an vollen Terminkalendern und einer gewissen Distanz zu den Mitarbeitenden. So wird beispielsweise nur selten das „Du“ verwendet und Dinge aus dem Privatleben nicht preisgegeben. Im Gegensatz zu den „Servant Leadern“ leiden die klassischen Führungskräfte oft unter einem höheren Stressniveau, da sie nur selten Verantwortung abgeben und gerne selbst wichtige Aufgaben übernehmen. Bei diesem Führungsstil kristallisiert sich ebenfalls heraus, dass das Team oder Unternehmen auf dieselben Themengebiete fokussiert ist, wie die jeweilige Führungskraft es anstrebt.                                                                                                                                                                                                     

Von intrinsischen Motiven geleitet

Egal ob „Servant Leader“ oder klassische Führungskraft – in beiden Fällen sind es weitestgehend die intrinsischen Motive, die einen Menschen leiten, wie folgende Beispiele zeigen:

Florian, 38, Führungskraft in einem Produktionsbetrieb, bekommt von seinen Mitarbeitenden vermehrt den Wunsch nach mehr Struktur oder klaren Zuständigkeiten. Er selbst ist allerdings jemand, der gerne flexibel agieren möchte und feste Strukturen ablehnt. Wieso also sollte er diese in einem eigenen System fördern? Er versucht stattdessen, seine Mitarbeitenden von den Vorteilen der Flexibilität zu überzeugen.

Ähnlich ist es auch im Team von Özlem. Sie ist 43 und leitet ein Call-Center. Immer wieder heißt es dort von den Mitarbeitenden: „Wir fühlen uns nicht wertgeschätzt.“ Özlem kann das nicht nachvollziehen. Sie ist ein sehr selbstsicherer Mensch und braucht keine Anerkennung von außen. Im Gegenteil: Lob ist ihr sogar eher unangenehm und da sie die Welt aus ihrer Brille betrachtet, gibt sie selbst nur äußerst selten jemandem Anerkennung.

Im Team vom 55-jährigen Abteilungsleiter Frank werden die Rufe laut, dass es ein Wir-Gefühl braucht und die Mitarbeitenden sich mehr Austauschtermine wünschen. Frank hingegen ist ein Mensch, der nicht viel Kontakt benötigt, am besten zurückgezogen arbeitet und Energie tankt, wenn er allein ist. Für ihn ist es anstrengend, sich ständig unterhalten zu müssen, weshalb er dahingehend keine Notwendigkeit sieht.

Bei der jungen Führungskraft Maja wird sich über die künstliche Harmonie und eine ungesunde Fehlerkultur beschwert. Sie selbst ist sehr harmoniebedürftig und geht Konflikten gerne aus dem Weg. Wenn es doch dazu kommt, tritt sie eher als Vermittlerin auf, statt selbst in den Ring zu steigen. Aus diesem Grund ist sie sehr darauf bedacht, Konflikte herunterzuspielen oder ganz unter den Teppich zu kehren.

Aus diesen Beispielen geht deutlich hervor, dass ein einzelner Mensch oder eine sehr homogene Gruppe an der Spitze nicht vollends dazu in der Lage ist, ein komplexes System, wie die Führung vieler verschiedener Menschen, zu leisten. Ein Mensch allein kann nicht alle Bedürfnisse eines Systems abdecken und entscheidet sich häufig, vor allem unter Stress, dazu, sich von den eigenen intrinsischen Motiven leiten zu lassen. Je ähnlicher sich die Führungskräfte sind, desto klarer wird, dass ihre inneren Antreiber letztendlich über die Führung entscheiden. Im Umkehrschluss bedeutet das: Je verschiedener die Führungspersonen in ihrer Persönlichkeit sind und sich damit auch in ihren intrinsischen Motiven unterscheiden, desto besser wird das Unternehmen gelenkt, da sich die Führungskräfte in ihren Ausprägungen ausbalancieren und unterstützen. Der entscheidende Punkt ist, diese Diversität anzuerkennen und vor allem zu nutzen. Ist das der Fall, spielt es eine untergeordnete Rolle, welcher Führungsstil an den Tag gelegt wird.

Fazit: Artgerechte Führung bringt mehr als Trends

Es geht nicht darum, ob nun „Servant Leadership“ oder die „klassische“ Führung besser oder effektiver ist, sondern darum, wie mit Diversität umgegangen wird. Im Vordergrund steht, welche Persönlichkeiten die Führungskräfte im Unternehmen sind und was sie antreibt. Daraus lassen sich für die Menschen und das Unternehmen energieschonende Lösungen ableiten, die auf lange Sicht beibehalten werden können, um eine gesunde Führung zu gewährleisten. Ich empfehle daher, nicht jedem Trend, wie zum Beispiel dem „Servant Leadership“ zu folgen, sondern aus den intrinsischen Motiven heraus einen artgerechten Führungsstil zu wählen. Bei diesem gilt es dann, einen guten Umgang mit den eigenen Ressourcen zu finden – denn dies hat auch enorm positive Auswirkungen auf die Mitarbeitenden. Die Antwort auf die Frage, welcher Stil zukunftsweisendere ist, lautet somit: beide. Die intrinsischen Motive der Menschen mit Führungsverantwortung entscheiden über die Interaktion mit den Mitarbeitenden und welche Auswirkungen dies auf das Unternehmen hat. Setzen Sie sich also mit den Menschen in Ihrem Unternehmen auseinander, denn erst dann kann eine gemeinsame Führungsrichtung erfolgreich umgesetzt werden.

In einem Positionierungstag für Führungskräfte können Sie die Kollegen und Kolleginnen im Führungsteam anhand der eigenen Motivationen kennenlernen und so eine gemeinsame Richtung finden, die die Vorteile der Diversität nutzt. Rufen Sie mich gerne an oder lassen Sie uns bei LinkedInsprechen, wenn Sie mehr darüber erfahren möchten.