Bewegung im Personal – warum Symptombekämpfung nicht hilft

Eine Mitarbeiterin kündigt und ein Mitarbeiter verlässt das Unternehmen – im Personalbereich gibt es immer Bewegung, das ist ganz normal. Wenn diese selbst verursachten Kündigungen allerdings zu hoch werden, dann ist es höchste Zeit dem Sinkflug entgegenzusteuern.

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Selbstverständlich gibt es unvermeidbare Kündigungen, aufgrund sich verändernder Lebensumstände, zum Beispiel eines Umzugs, einer Krankheit oder anderen persönlichen Umständen. Jede Kündigung, die vermeidbar wäre, ist eine unnötige Kündigung. Wenn also das Rad dieser Art von Kündigungen weiterläuft, es sich automatisiert, wer bleibt dann über und wer ist eigentlich aus dem Unternehmen gegangen?

 

Laut ist out – oder warum Mitarbeiter, die Einsatz zeigen, kündigen

Meistens sind es die „lauten“ Mitarbeiter, die gehen. Irgendwie haben sie es geschafft aufzufallen und in den Köpfen der anderen manifestiert zu sein. Sie sind mutig, sprechen auch Unangenehmes offen an und zeigen viel Einsatz. Sie hinterfragen kritisch und sagen ehrlich, was nicht funktioniert, um Veränderungen in die Wege zu leiten. Häufig wollen sie die Organisation und ihren Bereich voranbringen. Fast jede Führungskraft und jeder Kollege kennt diese präsenten Mitarbeiter. Oft fühlen sich diese Mitarbeiter, obwohl oder gerade weil sie vollen Einsatz in den unterschiedlichsten Bereichen erbringen, meist nicht wertgeschätzt. Zu wenig Gehalt, zu viele Grenzen an die sie stoßen, zu viel Stillstand. Das führt zu Frustration und in der letzten Konsequenz zur Kündigung. Mit jedem Mitarbeiter, der das Unternehmen verlässt, geht auch immer ein Stück wertvolles Wissen verloren. Jedes Anlernen der „Neuen“ verlangsamt die Produktivität und hält vorerst auf.

 

Still sein – oder warum Mitarbeiter im Unternehmen bleiben

Betrachten wir nun die Mitarbeiter, die meist im Unternehmen bleiben. Ein Teil mag Zweifel haben, z. B. aufgrund von Alter, fehlender Ausbildung oder auch mangelndem Selbstvertrauen, keinen anderen Job zu finden oder denkt, dass in diesem alles noch schlimmer wird. Ihr Frustpotential und ihre Entmutigung könnten sich ebenfalls steigern, wenn sie sehen, dass Bemühungen der „Lauten“ etwas zu verändern scheitern. Sie halten sich aus diesem Grund eher verdeckt, um nicht aufzufallen. Ein anderer Teil der bleibenden Mitarbeiter hat die Fähigkeit, das Berufliche strickt vom Privaten zu trennen und das Private in den Vordergrund zu stellen. Dienst nach Vorschrift, „Ich tue das, was man mir sagt“, „sollen sich die anderen doch verbrennen“ kann zur Gewohnheit werden. Manchmal mag es auch den Teil geben, der den „Absprung“ nicht geschafft hat und mehr oder weniger nun im Unternehmen verharrt, da er nichts anderes kennt.

 

Bei Kündigungen genau hinhören

Kündigt ein Mitarbeiter aus vermeidbaren Gründen, dann hoffe ich, dass die Warnsignale Ihrer Organisation ihren Dienst nach Vorschrift erfüllen und so laut wie möglich „arbeiten“. Hören Sie hin, welches Feedback Sie erhalten, worüber sich beschwert wird, welche Gründe es für die Kündigung gibt usw. Überlegen Sie auch einmal, inwieweit Kündigungen bereits in der Unternehmenskultur verankert sind. Wird schon erwartet, dass Mitarbeiter nach einer gewissen Zeit kündigen? Wird dem Mitarbeiter, der gekündigt hat, sogar von Kollegen Respekt ausgesprochen und er wird für seine Entscheidung bewundert? Wenn Sätze fallen, wie: „Das habe ich mir schon gedacht“, dann ist besondere Vorsicht geboten. Welche Schritte unternimmt Ihr Unternehmen, um das Gehörte umzusetzen?

 

Eine hohe Personalfluktuation, sprich eine hohe Unzufriedenheit im Unternehmen, zeigt sich ebenfalls im Außenbild und führt unweigerlich zu unzufriedenen Kunden. Welcher Kunde bleibt schon lange bei einem Dienstleister, dessen Ansprechpartner häufig wegen diversen Gründen ausfällt, Timings nicht eingehalten werden und er generell unzureichend mitgenommen wird? Ich jedenfalls nicht.

 

Symptome beseitigen?

An der Schlei nahe der Stadt Schleswig gibt es eine knapp hundert Jahre alte Klappbrücke – die Lindaunis-Brücke. Im Normalfall klappt sie jede Stunde auf, so dass die Segelboote passieren können. Sobald das Wetter schöner wird, die Schiffseigner sich freuen, auf die weite Ostsee zu kommen und die Temperatur auf „knackige“ 30 Grad steigt, klappt die Brücke nicht mehr auf und vermiest den Seglern die Weiterfahrt aus der Sackgasse namens Schlei. War das in den letzten Jahren der Fall, wurde ein Monteur geschickt. Die Presse berichtete abermals von der Geduld, die alle aufbringen müssen. Langfristig brachte das keine Besserung, eher massive Konfliktkosten auf vielen Ebenen und enorme Mehrkosten.

Der Ruf nach einer ganzheitlichen Veränderung wurde laut. Seit 2020 gibt es nun den Start des Bauprojektes Lindaunis-Schleibrücke. Zig Jahre an Symptombekämpfungskosten führten letztendlich zu dem Ergebnis: Die komplette Ersetzung konnte doch nicht umgangen werden. Ähnlich ist es bei einem hohen Kündigungsaufkommen – lediglich Symptome zu bekämpfen und zum Beispiel den Mitarbeitern kostenloses Wasser und Obst anzubieten, hilft nicht wirklich weiter. Es bedarf einer ganzheitlichen Betrachtung.

 

Warum kommt es zu Kündigungen?

Ist zu viel Bewegung im Personal, dann liegt es mitunter daran, dass das Top Management zu weit von den Mitarbeitern entfernt ist, sonst hätte es die Anzeichen mit ziemlicher Sicherheit schon frühzeitiger erkannt und gehandelt. Häufig schwingt auch eine gewisse Erleichterung mit, wenn „laute“ Mitarbeiter kündigen, da diese anstrengend und kraftraubend sein können. Diese Einstellung führt schon im Vorfeld dazu, dass Mitarbeiter, die den Mut haben etwas zu sagen und somit „vielleicht nicht ganz so geschickt“ auf Schwachstellen im System aufmerksam machen, nicht beachtet bzw. nicht wertgeschätzt werden. Im Rangdynamikmodell nach Raoul Schindler benötigen Systeme, wie Unternehmen, Abteilungen und primäre Teams Mitarbeiter, die dynamisch je nach Aufgabenfeld verschiedene Positionen einnehmen können, um gut zu funktionieren. Schindler definierte 1973 fünf Positionen: Alpha, Beta, Omega und Gamma. Die Rolle Omega, die dynamisch je nach Aufgabentyp wechselt, wird häufig als Kritiker & Nörgler angesehen. Sie ist allerdings eine starke Position, denn diese Fähigkeit fehlt den Alpha-Positionen. Schindler sagte schon damals, dass es das Beste sei, wenn Alphatiere, sprich Menschen, die die Gruppe je nach Aufgabe führen, zielorientiert sind und inhaltliche Impulse geben, mit den Omegas zusammenarbeiten. So entstehe ein Austausch von lösungsorientierten und problemorientierten Menschen aus zwei unterschiedlichen Perspektiven.

 

Reflexionsfragen für Führungskräfte

Reflektieren Sie einmal selbst anhand der Fragen:

  • Was haben Sie bislang schon versucht, um vermeidbaren Kündigungen gegenzusteuern?
  • Wie dachten Sie über die Personen, die gekündigt haben?
  • Inwieweit werden diese Personen von den Alpha-Positionen in Ihrem Unternehmen mitgenommen und für ihre Fähigkeit wertgeschätzt?
  • Wenn ich auf der grünen Wiese entscheide – was wäre für unser Unternehmen der größte Hebel, um eine gesunde Personal-Bewegung zu erreichen?
  • Mit welchen kleinen Interventionen kann ich schon direkt anfangen, etwas zu verändern?
     

Fazit

Eine hohe Fluktuation im Personal kann verschiedene Ursachen haben. Wichtig ist das Ganzheitliche zu sehen und an den nötigen Stellen anzusetzen, um nicht nur Symptome zu bekämpfen, sondern wichtige Mitarbeiter dauerhaft im Unternehmen zu halten, damit das Wissen weiterhin im Unternehmen bleibt. 

Wie ist es bei Ihnen im Unternehmen? Wenn Sie eine hohe Fluktuationsrate haben, dann lassen Sie uns sprechen und die Ursachen herausfinden.