Angst – eine unterschätzte Stärke in der Arbeitswelt

Sie stehen vor einer wackeligen Hängebrücke, die über einen reißenden Fluss führt. Ihr Ziel: die andere Seite. Doch beim Blick auf die schwankenden Holzbalken fangen Ihre Knie an zu zittern. Sie haben Angst, in den Fluss zu stürzen, vertrauen der Konstruktion nicht. Das ist eine vollkommen normale, menschliche Reaktion. Angst ist ein Urinstinkt, der uns vor Gefahren schützt – und vielleicht sogar lebensrettend ist. Was passiert, wenn Sie jetzt mit anderen Menschen über Ihre Angst sprechen? Der erfahrene Guide wird Sie unterstützen, Ihnen erklären, welche Planken Sie nicht betreten dürfen und Sie sicher auf die andere Seite bringen. Reden Sie allerdings nicht darüber, werden Sie eventuell abstürzen oder die Angst wird zum lähmenden Zustand. Obwohl Angst ein Teil des natürlichen menschlichen Verhaltens ist, ist sie im Arbeitskontext, insbesondere bei Führungskräften, nach wie vor ein Tabuthema.

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Viele Manager kennen die Angst vor Kontrollverlust und davor, ob die Entscheidungen, die sie treffen, die richtigen sind. Mitarbeiter hingegen verspüren Konkurrenzdruck, haben Angst vor Überforderung oder befürchten durch die zunehmende Digitalisierung wegrationalisiert zu werden. Angst kann lähmen und dazu führen, dass vieles im Unternehmen langsamer vorangeht oder es zu endlosen Diskussionen kommt, weil sich niemand traut, zum Punkt zu kommen. Da Angstgefühle nach wie vor oft mit Schwäche gleichgesetzt werden, werden sie unter den Teppich gekehrt, ignoriert oder schöngeredet. Wenn Sie im Unternehmen allerdings eine offene und ehrliche Kommunikation implementieren wollen, dann ist es notwendig, auch über Ängste zu sprechen und diese zu thematisieren.

Der Angst die Angst nehmen

Meiner Meinung nach wird es höchste Zeit, dass wir das Thema Angst in der Arbeitswelt thematisieren und ernstnehmen. Der konstruktive Umgang mit Angst führt im Ergebnis zu neuem Mut und den brauchen alle im Unternehmen, damit sie die Zukunft sicher gestalten können. Das gilt für Mitarbeitende wie für das Management gleichermaßen. Häufig haftet der Führungsriege das Image an, auf alles eine Antwort zu haben, mit Verantwortung gut umzugehen und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Viele Führungskräfte würden dabei wahrscheinlich nicht offen zugeben, dass ihnen einiges davon Angst macht. Doch genau diese Gefühle transparent darzustellen, ist ein absoluter Pluspunkt. Zum einen macht es die Führung für die Menschen im Unternehmen nahbarer und menschlicher, was für mehr Vertrauen sorgt und zum anderen eröffnet der offene und ehrliche Umgang mit Angst neue Möglichkeiten.

Gesunde vs. ungesunde Angst

Es gibt die unterschiedlichsten Ängste – auf diese möchte ich jetzt nicht im Detail eingehen, sondern grundsätzlich zwischen gesunder und ungesunder Angst unterscheiden. Gesunde Angst macht uns sensibel für gefährliche Situationen, sie ist wie ein Radar, der ausschlägt, sobald uns etwas komisch vorkommt. Sie mahnt uns dazu, vorsichtig zu sein und schärft die Sinne. Treten wir dieser Angst entgegen, dann erreichen wir Fähigkeiten, die weit über dem liegen, was wir uns selbst zugetraut hätten. In Angstsituationen wachsen Menschen oftmals über sich hinaus und leisten unglaubliches. Durch diese Angst entwickeln wir Stärke und Mut für kommende Herausforderungen. Eine ungesunde Angst hingegen lähmt uns, kostet viel Energie und ist ermüdend. Panik vor schlechtem Feedback, die Befürchtung, dass alles den Bach runtergeht, wenn man loslässt und anderen Menschen Entscheidungsgewalt einräumt oder negative Bedenken in Prozessen, die immer wieder durchgekaut werden, können zum Dauerzustand werden und zu Stillstand führen. Durch Verhaltensänderungen kann man diese Ängste zwar ein Stück weit kontrollieren, doch sie ganz abzuschalten ist eine enorme Herausforderung, die ohne die Unterstützung von außen kaum möglich ist.

Angst führt zu Mut

Ein Spruch heißt so schön: „Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern zur Tat zu schreiten, obwohl man Angst hat.“ Wenn Unternehmen das Thema Angst komplett ausklammern, wie soll dann eine offene Kommunikation entstehen? Wie kann ohne das Thematisieren von Angst Mut entstehen? Unser Gehirn ist so konzipiert, dass es möglichst in Routinen und energiesparend arbeitet. Ängste sind meist abseits der Norm und verbrauchen daher viele Ressourcen. Aufgrund dessen erlebe ich in Unternehmen immer wieder, dass bestimmte Möglichkeiten gar nicht erst in Betracht gezogen werden und ein Workaround erarbeitet wird, der weniger belastend ist. Es wird um die Angst herum gearbeitet. Dieser Zustand hält so lange an, bis die Angst thematisiert wird.

Angst und ihre Konsequenzen

Der Ursprung von Angst liegt bei uns selbst. Gehen wir offen mit unseren Ängsten um und teilen diese in der Gemeinschaft, dann haben andere die Möglichkeit, darauf zu reagieren und uns zu unterstützen. Gemeinsam in Teams und der gesamten Organisation wird so eine neue Stärke aufgebaut und Mut entsteht. Schwierig wird es allerdings, wenn Ängste sich verselbstständigen. Sehr gut lässt sich das daran erkennen, dass Unternehmen dann eine Art Bedenkenträgerei etablieren. Sobald eine Veränderung, Neuerung oder ein Thema abseits des Gewohnten auf den Tisch kommt, herrscht eine „Ja, aber“-Mentalität. Diese hält auf und blockiert das Weiterkommen. Meist geht es nicht voran, weil man von der Angst zurückgehalten wird.

Drei Schritte, die Angst aus dem Weg zu räumen

Ich empfehle jedem Top Manager, Executive, Teamleiter und allen anderen Führungskräften: Nehmen Sie das Thema Angst ernst und fangen Sie an, es in Ihre Gespräche einzubauen. In einer Führungsposition ist man immer auch Vorbild. Wer seine Angst erwähnt, wird schnell erleben, dass andere nachziehen. Ein guter Leitfaden ist ein Sprichwort von Timothy Feriss, das besagt: „Das, wovor wir uns am meisten fürchten, ist normalerweise das, was wir am dringendsten tun müssen.“ Im Folgenden helfen drei Schritte, die Angst in Unternehmen zu thematisieren und anzupacken.

Schritt 1: Fangen Sie an, über Ihre Ängste zu sprechen.
Schritt 2: Achten Sie darauf, welche Wirkung Ihre Angst bei den unterschiedlichen Menschen hervorruft.
Schritt 3: Erfragen Sie in Gesprächen direkt bei Ihrem Gegenüber, worin seine Angst liegt und zeigen Sie Interesse.

Sie werden feststellen, dass sich durch diese drei Schritte, die Gesprächskultur immens verändert.

Wenn auch Sie das Thema Angst in Ihrem Unternehmen transparent machen möchten, um es in neuen Mut umzuwandeln, rufen Sie mich gerne an oder lassen Sie uns bei LinkedIn sprechen.