Im System oder am System arbeiten? Diese Aufgabe haben Führungskräfte

In vielen Unternehmen war und ist es noch immer die Regel, dass Mitarbeitende aufgrund ihres hervorragenden fachlichen Know-hows oft in Kombination mit einer langen Betriebszugehörigkeit in die Position der Führungskraft aufsteigen. Früher war dieser Ansatz sicher von Vorteil, denn das Wissen spielte in Unternehmen eine essenzielle Rolle. Heute hingegen besteht die zentrale Aufgabe der Führung nicht mehr länger darin, operativ im System zu arbeiten, denn hochqualifizierte Mitarbeitende und die unerschöpfliche Wissensquelle „Internet“ machen das überflüssig. Viel wichtiger ist es, am System zu arbeiten, an den Rahmenbedingungen, der Menschenführung und den richtigen Strategien, doch das stellt viele Führungskräfte vor große Herausforderungen.

Shutterstock.com | Master1305

In meiner Arbeit mit Führungskräften höre ich häufig Aussagen wie: „Wenn ich mich nur darauf konzentriere, ein gutes Umfeld für mein Team zu schaffen, dann füllt mich das nicht aus.“ oder „In unserem Unternehmen wird Führung so verstanden, dass wir trotzdem im operativen Geschäft arbeiten.“ Auch fragen sich manche Führungskräfte, was sie denn noch alles tun sollen und dass für die eigentlichen Aufgaben der Führung neben dem Tagesgeschäft keine Zeit mehr bleibt.

Die Rolle der Führungskraft hat sich verändert

Leider wird die „Menschenführung“ in vielen Unternehmen noch immer als ein nettes Beiwerk gesehen und gerät dadurch häufig ins Hintertreffen. Führungskräfte agieren hier vorwiegend als Ansprechpartner bei Problemen und leiten das operative Geschäft. Jedoch hat uns spätestens die Corona-Krise zeigt, dass es in der Führung einen Haltungswechsel braucht. Kreative Ideen, schnelles Handeln, kurze Entscheidungswege und unternehmerisches Denken auf allen Ebenen sind wichtige Faktoren geworden, die in der unvorhersehbaren Zukunft auch weiter an Bedeutung gewinnen. Es gehört zur Aufgabe von Führungskräften, darauf zu achten, dass das Unternehmen und die Mitarbeitenden flexibel bleiben und schnell auf Veränderungen reagieren können. Dies bedeutet, dass sie in der Lage sein müssen, schnell Entscheidungen zu treffen, die Mitarbeitenden einzubinden und Prozesse anzupassen. Der Weg der Führung geht klar weg von rein ausführenden Tätigkeiten hin zu einer Metaebene, die das gesamte Bild im Blick hat.

Das Team als System verstehen

Der Alltag in Unternehmen gestaltete sich für Mitarbeitende meist so, dass ihnen gesagt wurde, was zu tun ist und sie es ausführten. Entscheidungen wurden in der Führung getroffen und nicht infrage gestellt. Der demographische Wandel zeigt jedoch überdeutlich, dass sich der Arbeitsmarkt wandelt – schon länger sprechen wir von einem Fachkräftemangel, dieser wird sich noch weiter ausweiten und kann auch zu einem allgemeinen Arbeitskräftemangel führen. Gut qualifizierte, intelligente und ambitionierte Menschen wollen nicht nur „abarbeiten“. Sie wollen sich einbringen, mitentscheiden, eigene Ideen umsetzen und den Sinn hinter ihrer Arbeit erkennen. Viele Studien und Befragungen zeigen, dass die Führung ein ausschlaggebender Faktor für die Attraktivität eines Unternehmens ist und dafür, ob Mitarbeitende bleiben oder gehen.

Auch der einst sichere Markt hat sich gewandelt. Pläne lassen sich nicht mehr für die nächsten Jahre oder gar Jahrzehnte aufstellen, denn wir leben in einer Zeit der rasanten Veränderungen – wir haben bereits erlebt, dass es von heute auf morgen auf der Welt ganz anders aussehen kann. Hier ist in erster Linie die Führung gefragt, mit den Auswirkungen auf Unternehmen richtig umzugehen.

Es geht nicht länger darum, mit den Mitarbeitenden im operativen Geschäft zu arbeiten und fachliche Fragen zu beantworten, sondern die Führung muss das Team als ein System ansehen und von der Metaebene auf die Kommunikation, Interaktionen, Blockaden blicken, damit Wachstum und Entwicklung möglich sind.

Fachwissen aufbauen und Wachstum ermöglichen

Menschen, vor allem, wenn sie in Gruppen agieren, in ihrer Entwicklung zu unterstützen, ist ein Fulltime-Job. Dessen sollten sich Führungskräfte bewusst sein. So besteht zum Beispiel die Arbeit von Scrum Mastern, Business Coaches und systemischen Beratern vor allem darin, Menschen zu entwickeln und weiterzubringen. Auch Führungskräfte brauchen Fachwissen, welches auf die Bereiche Persönlichkeitsentwicklung und Teamdynamik abzielt. Allein die Weiterbildung in diesen beiden Bereichen nimmt schon einiges an Zeit in Anspruch. Für eine Führungskraft, die ursprünglich aus dem Operativen kommt, ist es zusätzlich schwer, die Arbeit zu verlagern und sich nun mit Menschen auseinanderzusetzen – doch genau das ist ihre Aufgabe.

Vorbild werden – Menschen begeistern

Führungskräfte, die am System arbeiten, legen großen Wert auf Gespräche mit ihren Mitarbeitenden. Nur in diesen finden sie heraus, vor welchen persönlichen Herausforderungen die Menschen stehen, welche Blockaden im Team herrschen, an welchen Stellen Unterstützung gebraucht wird usw. Primär geht es darum, das Team wachsen zu lassen und in Verbindung damit die Organisation zu stärken. Ein weiteres Aufgabenfeld für Führungskräfte ist die Arbeit an der eigenen Person. Darunter fällt, sich stabil und widerstandsfähig aufzustellen, für sich selbst eine gute Fehlerkultur zu entwickeln und sich selbst sowie das Führungsverhalten regelmäßig zu reflektieren. So wird die Führungskraft zu einem Vorbild für die Mitarbeitenden.

Meine Empfehlung für alle Führungskräfte (Scrum Master und Agile Coaches eingeschlossen) ist, eine Ausbildung zum systemischen Berater zu absolvieren, die mindestens ein Jahr läuft. In einer solchen Weiterbildung lernen sie neben den Themen Interaktionen in einem System, System-Dynamiken, Methoden und Hilfe zur Selbsthilfe sprich Selbstorganisation. Und das Wichtigste: Sie entwickeln eine wertschätzende Haltung, die Neutralität und Neugier für das Handeln und Denken anderer fördert.

Eine weitere Empfehlung für diejenigen, die gerne on-the-job lernen: Ich unterstütze Führungskräfte und Scrum Master in kurzen und regelmäßigen Terminen, das obige kennenzulernen und direkt im Alltag einzusetzen. In einem persönlichen Termin oder per LinkedIn können wir gerne darüber sprechen, wie wir das in Ihrem Unternehmen umsetzen.