Ungelöste Konflikte – die wohl größte Zeit- und Geldverschwendung in Unternehmen

Konflikte gehören zum Leben. Dieser Aussage stimmen wir alle mit Sicherheit zu. Gibt es im Unternehmen eine positive Feedback- und Fehlerkultur und steht ein Ziel im Fokus, sind Konflikte durchaus positiv. Die konstruktive Diskussion verschiedener Ideen und Meinungen führt oft zu besseren Lösungen. Bleiben die Konflikte jedoch ungelöst, oder kommt es zur großen Eskalation, wird es nicht nur kosten-, sondern auch zeitintensiv.

Wenn Konflikte eskalieren …

Es ist noch gar nicht so lange her, dass ein eskalierender Konflikt im Hause OpenAI, dem Unternehmen hinter Chat-GPT, für Furore sorgte. Im November 2023 erreicht der Machtkampf zwischen dem Verwaltungsrat und Sam Altman, dem CEO und Mitgründer, seinen Höhepunkt. Altman wurde fristlos entlassen, woraufhin 700 Mitarbeitende selbst mit Kündigung drohten, sollte der Verwaltungsrat nicht zurücktreten. Nach intensiven Verhandlungen kam es zur überraschenden Wende: Altman kehrte als CEO zurück und das Gremium wurde abgesetzt.

In diesem Drama prallten bei OpenAI verschiedene Welten aufeinander: Idealisten und Altruisten, die KI zum Wohle der Menschheit entwickeln wollen, standen Profitdenkern und Fortschrittsgläubigen gegenüber. Gleichzeitig gab es Skeptiker, die vor den Risiken der neuen Technologie warnten. Solche internen Konflikte werden selten so öffentlich ausgetragen. Doch Auseinandersetzungen sind Teil des Alltags in jedem Unternehmen. Sie können Abteilungen lahmlegen oder sogar die gesamte Organisation an den Rand des Zusammenbruchs bringen.

In vielen Unternehmen ist es nicht unbedingt der öffentliche Disput zwischen einem CEO oder Verwaltungsrat – vielmehr beginnen die Konflikte in den Teams. Sehen wir uns dazu einmal das wohl bekannteste Modell zur Teamdynamik an.

 

Die Tuckman-Uhr

Zwischen 1965 und 1977 entwickelte Bruce Tuckman sein Modell, das heute als Tuckman-Uhr, Team-Uhr oder Teamentwicklungsuhr bezeichnet wird.

Tuckman beschreibt mit dem Modell fünf unterschiedliche Phasen, die ein Team seiner Ansicht nach im Laufe der Teamentwicklung und der Zusammenarbeit durchläuft. Die Phasen beginnen bei der Gründung und Formung des Teams (Forming, Storming und Norming). Danach folgt die produktivste Phase, in der werthaltige Arbeitsergebnisse entstehen (Performing) sowie die abschließende Auflösung des Teams nach dem Erreichen der gemeinsamen Ziele (Adjourning).

1. Forming

In der ersten Phase beginnt sich das Team zu bilden, und die Teammitglieder lernen sich langsam und vorsichtig gegenseitig kennen. Der Ton im Team ist meist sehr höflich, obgleich auch unpersönlich und distanziert. Jeder tastet sich vorsichtig heran und versucht, seinen Platz im Team zu finden.

Erste Ziele als Team und Prinzipien werden stillschweigend wie auch gemeinsam definiert. Das Team wendet sich langsam seinen Aufgaben zu. Die Beziehungen und Rollen der Teammitglieder sind allerdings noch nicht genau definiert und den Beteiligten daher unklar. In dieser Phase sind Konflikte selten offensichtlich, da alle bemüht sind, einen guten Eindruck zu hinterlassen.

 

2. Storming

In der zweiten Phase kommt es zu besonders häufig zu Machtkämpfen um Rollen oder Status innerhalb des Teams. Das birgt hohes Konfliktpotenzial zwischen einzelnen Teammitgliedern – Konfrontationen entstehen und Cliquen bilden sich.

Deshalb ist in dieser Frage die besondere Aufmerksamkeit der Führungspersonen gefragt, um mögliche Konflikte schnell zu erkennen und bei deren Bearbeitung zu unterstützen, um eine weitere Eskalation zu verhindern.

Ursache für die Konflikte sind meistens unterschiedliche Wertevorstellungen oder nicht erfüllte Bedürfnisse der einzelnen Teammitglieder. Trotz der Herausforderungen und Rollenfindung beginnt das Team damit, seine Zusammenarbeit zu organisieren und sich abzustimmen. Die Leistung bleibt in diese Phase noch gering.

 

3. Norming

Nun entstehen Normen und Teamregeln. Dies kann durch explizites Erarbeiten in der Gruppe, aber auch in stiller Übereinkunft erfolgen. Ich empfehle Dir, ausführlich mit Deinen Teammitgliedern an gemeinsamen Werten und Teamregeln zu arbeiten.

In dieser Phase finden die Teammitglieder zunehmend ihre Rolle. Das Team beginnt, gemeinsam an den Aufgaben zu arbeiten, da die Konflikte aus Storming beigelegt wurden und die Anerkennung, Akzeptanz und Wertschätzung der Teammitglieder untereinander steigen. Insbesondere in dieser Phase empfiehlt sich auch die Durchführung einer regelmäßigen Retrospektive, in der die Mitarbeitenden verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der gemeinsamen Zusammenarbeit erarbeiten und anschließend umsetzen.

 

4. Performing

Schließlich erreichen Teams die Performing-Phase – sie sind ideenreich, flexibel, offen und leistungsfähig. Hier zeigt sich das volle Potenzial eines Teams.

Die Leistung der einzelnen Teammitglieder ist konstant gut. Die Zusammenarbeit im Team wird weiter ausgebaut und durch Erfolgserlebnisse bestärkt und unterstützt. Das Team hilft einander und geht dabei offen miteinander um. Das alles wirkt sich positiv auf die Bearbeitung der Aufgaben aus: Die Leistung des Teams ist hoch und zeichnet sich durch einen hohen Grad an Selbstorganisation aus.

 

5. Adjourning

Die Zusammenarbeit des Teams nähert sich langsam dem Ende zu. Die Teammitglieder verabschieden sich voneinander und ihren Rollen, die sie im Team gefunden haben. Manchmal ist sogar ein wenig Trauer spürbar.

Diese Phase hat in der Teamuhr einen kleinen Sonderstatus. Im Gegensatz zu den anderen Teamentwicklungsphasen gibt es nach dieser keine weitere Phase. Mit der Bildung eines neuen Teams folgt dann wieder die Forming-Phase.

Unausgetragene Konflikte verhindern oft den Übergang von der Storming- zur Norming-Phase – und machen den Weg zur angestrebten Performing-Phase unmöglich. Wenn diese nicht gelöst werden, bleibt das Team in einer Schleife aus Frustration und Ineffizienz gefangen. Dies kostet nicht nur Zeit – da Meetings länger dauern oder wiederholt werden müssen –, sondern auch Geld durch verlorene Produktivität.

 

Wie lassen sich Konflikte vermeiden?

Indem Führungskräfte insbesondere in der Storming-Phase präsent sind und sich für klare Prioritäten und langfristige Ziele, mit denen sich Mitarbeitende identifizieren, aussprechen. Gelingt es, das Team auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören, löst dies eine enorme positive Energie aus. Zudem ist es wichtig, eine Kultur des Miteinanders und das Wir-Gefühl zu stärken. Gute Führungskräfte reagieren früh, wenn im Team egoistisches oder destruktives Verhalten auftaucht. Sie reagieren schnell darauf, suchen Gespräche, bringen die Beteiligten an einen Tisch und lassen Konflikte so erst gar nicht entstehen und vor allem nicht eskalieren.

Kommt es zu Konflikten innerhalb des Teams, hängt dies oftmals nicht mit der Arbeitslast zusammen, sondern mit Change-Prozessen, die den Mitarbeitenden nicht oder nicht ausführlich genug erklärt werden. Sind die Mitarbeitenden über den Status quo der Veränderungen informiert, wissen sie, woran die Führungskräfte gerade arbeiten, was sie erreichen wollen und wo die Hindernisse liegen, sind die Mitarbeitenden deutlich entspannter und konzentrieren sich auf ihre Aufgaben. Auch Machtspiele können zu Konflikten führen – dies gilt insbesondere, wenn es keine klare Verteilung der Kompetenzen gibt. Die Ursachen, weshalb einzelne Mitarbeitende oder ganze Abteilungen gegeneinander arbeiten, liegen nicht selten an widersprüchlichen Zielen.

Deshalb sollten wichtige Entscheidungen von allen Mitarbeitenden mitgetragen und offen kommuniziert werden. Dadurch werden sowohl besser angenommen als auch schneller umgesetzt.

 

Der Weg zur gesunden Performance

Je schneller ein Team durch die Phasen des Tuckman-Modells geht und je besser es mit Konflikten umgeht, desto stabiler wird sein innerer Kern sein. Eine gesunde Performance ist das Ergebnis einer offenen und flexiblen Zusammenarbeit. Indem Du als Führungskraft ein Gespür für unausgetragene Konflikte entwickelst, diese angehst und löst, schaffst Du ein harmonischeres Arbeitsumfeld, indem Deine Mitarbeitenden ihr Bestes geben können.

Befindet sich Dein Team gerade in einer herausfordernden Phase oder brauchst Du Unterstützung bei der Lösung von Konflikten? Dann lass uns gerne darüber sprechen.